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Arctiidae - Typenverzeichnis


Über (2) Arctiidae

In der tradierten taxonomischen Bewertung wird die Lepidopterengruppe der Arctiidae noch als höherrangiges Taxon und eigenständige Familie der Flechten- und Tigermotten behandelt. In der jüngeren taxonomischen Einteilung werden sie als Arctiinae-Unterfamilie innerhalb der Erebidae-Familie (Noctuiodea, Eulenfalter) reklassifiziert. Die Abgrenzung zu anderen Unterfamilien der Noctuoidea ist gut begründet, aber sowohl die Stellung innerhalb der Familie der Eulenfalter als auch die systematische Einteilung der Tribus und Subtribus ist noch nicht hinreichend geklärt. Deswegen werden die Arctiiden meist unterschiedlich dargestellt.
Aktuell wird der Unterfamilienstatus auf den eines Tribus Arctiini herabgesetzt. Ihre ursprünglichen Gruppierungen werden jeweils als Subtribus aufgefaßt. Dazu zählen die Arctiina, Callimorphina, Lithosiina, Ctenutchina, Syntomina, Euchromiina, Thyretina, Mikrarctiina, Nyctemerina, Pericopina, Phaegopterina und Spilosomina.

Bärenspinner sind mit etwa 11000 mittelgroßen bis großen Arten weltweit vertreten. Mit über 6000 Arten ist ihr Hauptverbreitungsgebiet die Neotropis, In Europa kommen über 150 Arten vor, von denen etwa die Hälfte auch aus Mitteleuropa bekannt ist. Ihren deutschen Namen tragen die Falter wegen der starken und langen Behaarung ihrer Raupen.
Ein Großteil der Falter sind nachtaktiv, viele allerdings tagaktiv, was bis vor kurzem in diesem Ausmaß nicht so bekannt war.
Die Bärenspinner grenzen sich durch mehrere diagnostisch auffällige morphologische Eigenheiten ab. Die Fühler sind entweder gefiedert, gekämmt oder fadenförmig. Der Saugrüssel ist meist zurückgebildet. Die Vorderflügel besitzen 10 bis 12 Flügeladern und eine Analader, die Hinterflügel haben 7 bis 9 Adern und zwei Analadern.
Ein wichtigstes Merkmal ist ein am Rücken der Weibchen gelegenes Paar ausstülpbarer Pheromondrüsen, das am Hinterleibsende an der Ausstülpung des Ovipositors positioniert ist. Diese Drüsen, die relativ lang sein können, werden durch Hämolymphdruck ausgestülpt und durch an der Längsachse befindliche Muskeln wieder eingezogen.
Ein weiteres Merkmal sind die seitlich am Metathorax befindlichen Tympanalorgane, äußerlich als eine Reihe von feinen Rillen oder Grübchen erkennbar. Beide Geschlechter besitzen solche Tympanalorgane, falls bei der Art vorhanden. Bei einigen Tribus wie den Syntomini fehlen sie nämlich oder sind reduziert. Mit Hilfe dieser Organe können Ultraschalllaute erzeugt werden, die entweder durch Berührung oder durch von Fledermäusen ausgesendeten Ultraschallaute ausgelöst werden. Man nimmt an, dass sich die Falter durch die erzeugten Ultraschallaute schützen und damit potentielle Prädatoren wie Fledermäuse irritieren.

Viele Falter sind lebhaft bunt gefärbt und nicht selten in auffälliger Warntracht gezeichnet. Bei manchen Arten sind die Falter geschlechtsdimorph.
Mehrere Arten der Syntomini können aus am Prothorax befindliche Drüsen übel riechende Substanzen aussondern. Diese Fähigkeit ist häufig mit einer auffälligen Warntracht kombiniert. Eine solche findet sich auch bei anderen Triben und spielt meist auf die Giftigkeit der Tiere an, deren Raupen sich zum Teil von giftigen Pflanzen ernähren. Einige Arten der Bärenspinner imitieren mit ihrem Aussehen wehrhafte Insekten, wie beispielsweise manche Arten der Ctenutchina, Syntomina und Euchromiina, die nahezu perfekt tropische Wespenarten nachahmen.
In Ruhestellung ist die Stellung der Flügel dachförmig, wobei die zuweilen bunten Hinterflügel überdeckt sind.
Die Raupen der Bärenspinner besitzen drei bis fünf gut erkennbare Punktwarzen auf dem Meso- und Metathorax. Das Abdomen ist mit Punktwarzen besetzt, die wie die Bauchbeine stark beborstet sind. Alle Raupen weisen vier Paare Thorakalbeine und das anale Beinpaar, den Nachschieber, auf. Die teilweise stark büschelartige Behaarung dient der mechanischen Abwehr von Fressfeinden, die wegen dieser ihre Beute nur schwer zu fassen bekommen.
Die Raupen der meisten Arten ernähren sich polyphag, wobei krautige Pflanzen die bevorzugte Nahrung darstellen. Die Gruppe der Flechtenbären (Lithisiina) entwickelt sich an Baum- und Steinflechten, zum Teil auch an Lebermoosen. Mitteleuropäische Arten überwintern meist als Raupe, seltener als Puppe und ausnahmsweise als Ei. Die Verpuppung erfolgt in einem mit Raupenhaaren durchwobenem Gespinst an oder unter der Rinde, am Boden, unter Moos oder an Steinen. Von den in Mitteleuropa bekannten Arten ist bis auf den aus Nordamerika eingeschleppten Webbär (Hyphantria cunea) keine an Nutzpflanzen schädlich. Diese erstmals 1940 in Ungarn nachgewiesene Art verbreitete sich rasant in Europa und verursachte in der Folge Schäden an Obstbaum- und Weinkulturen.
Mit dem Erwerb der Sammlung Franz DANIEL im Jahre 1970 durch Dr. Thomas WITT wurde eine erster Schritt hin zu einer bedeutsamen und wissenschaftlich wertvollen Arctidensammlung getan. Im Jahr 1972 kamen die von Josef de Freina im indischen Kumaon-Himalaja gewonnenen Aufsammlungen hinzu. Mit dem Jahr 1991 erreichte der Bestand an Bärenspinnern durch die geschlossene Übernahme der Sammlung und des wissenschaftlichen Nachlasses von Dr. Werner Thomas einen weiteren bedeutenden Zuwachs und einen anerkannten internationalen Nimbus. Mit dem Erwerb und der Eingliederung von aus zahlreichen Forschungsreisen namhafter Entomologen resultierenden Bärenspinneraufsammlungen wurde der Umfang an Belegen dieser Lepidopterengruppe beträchtlich erweitert.
Dieser Bestand ist vergleichbar mit dem der bedeutensten Sammlungen staatlichen Institutionen der Welt und liefert damit die unersetzbare Voraussetzung und Grundlage für zukünftige Forschungen an dieser Insektengruppe.
Eine intensivere Zusammenarbeit mit Dr. Werner THOMAS (1945-1991), die sich vor Jahren über einen längeren Zeitraum angebahnt hatte, wurde durch dessen unerwarteten Tod jäh beendet. THOMAS, spezialisiert auf Arctiidae der palaearktischen und orientalischen Fauna, hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe von Publikationen verfasst, in denen er die Ergebnisse seiner bis dahin umfassenden Reisetätigkeit wie auch erste revidierende Beiträge behandelte. Unter anderem veröffentlichte er die Revision der Gattung Lemyra WALKER,1856), zu der er jahrelang Recherchen anstellte. Die Grundlagen hierfür lieferten seine einzigartige umfangreiche Spezialsammlung, der großen Fundus an photographisch dokumentierten Genitalpräparaten und sein Archiv an Farbdiapositiven von Typenfaltern (ober- und unterseitig mit der jeweiligen Etikettierung) aus den Beständen der bedeutendsten europäischen Museen.
Einige von ihm begonnene Manuskripte konnten posthum fertiggestellt und publiziert werden. Zu dem in Konautorschaft mit David GOODGER, British Museum (Nat.Hist.), geplanten „Catalogue of Oriental Tiger Moths" lag bereits ein Konzept vor, das Werner THOMAS des öfteren mit Thomas WITT diskutiert hatte. Durch das Ableben von THOMAS kam es jedoch nicht mehr zur Verwirklichung dieses Projekts. Die Tätigkeit von Dr. Werner THOMAS wurde in seinem Nachruf mit Bibliographie (1993; Nachr. entomol. Ver. Apollo, Frankfurt/Main 13(3a):265-278) gewürdigt. Seiner Tochter Kerstin THOMAS verdanken wir eine Dokumentation seiner umfassenden Reisen, die sie aus seinen Tagebüchern und den Ergebnissen persönlicher Recherchen zusammengestellt und veröffentlicht (ibidem p.405 ff.) hat. Sonderdrucke davon sind noch verfügbar. Die Sammlung und der wissenschaftliche Nachlaß gelangten Ende 1991 geschlossen ins Museum WITT.

Drs. Rob DE VOS, Amsterdam, spezialisiert auf orientalische Arctiidae,
hat während zweier Forschungsaufenthalte am Museum den gesamten Materialbestand der Nyctmerini (Arctiinae) bearbeitet, revidiert und das Ergebnis 2010 veröffentlicht (siehe DUBATOLOV VV (2010). Bestand die Sammlung 1972 bei Übernahme der Sammlung DANIEL noch aus 2 Kästen, so hat sie heute, aufgestellt nach dem neuen System, nach der Bearbeitung aller Neueingänge einen Umfang von über 100 Kästen angenommen.

Literatur

DE FREINA, J. J. & WITT, T. J. 1987d. 1. Buch. Nolidae, Arctiidae, Syntomidae, Dilobidae, Lymantriidae, Notodontidae, Thaumetopoeidae, Thyretidae, Axiidae, Drepanidae, Thyatiridae, Bombycidae, Brahmaeidae, Endromidae, Lasiocampidae, Lemoniidae, Saturniidae. In: Die Bombyces und Sphinges der Westpalaearktis, Band 1 (708 pp., 46 Farbtafeln). – Edition Forschung & Wissenschaft Verlag GmbH, München.

DUBATOLOV VV (2010) Tiger-moths of Eurasia (Lepidoptera, Arctiidae) (Nyctemerini by Rob DE VOS & Vladimir V. DUBATOLOV). ‒ Neue Entomologische Nachrichten 65:1–106.

EDWARDS, E. D. (1996): Arctiidae: 278-286, 368-370. In : NIELSEN, E., EDWARDS, E., RANGSI, T., E: D, NIELSEN, E. S. & RANGSI, T. V. ‒ Monographien über australische Lepidoptera 4 : xiv + 529

FERGUSON, D. C. & OPLER, P. A. 2006. Checklist of the Arctiidae (Lepidoptera: Insecta) of the continental United States and Canada. ‒ Zootaxa, 1299: 1-33.

FIBIGER, M. & HACKER, H. 2005. "Systematic List of the Noctuoidea of Europe (Notodontidae, Nolidae, Arctiidae, Lymantriidae, Erebidae, Micronoctuidae, and Noctuidae)". ‒ Esperiana 11: 93–205.

GOODGER. T. G. & WATSON, A. 1995. The Afrotropical Tiger-Moths. An illustrated catalogue, with generic diagnosis and species distribution, of the Afrotropical Arctiinae (Lepidoptera: Arctiinae). ‒ Apollo Books, Stenstrup, 65 pp.

JACOBSON, N. L. & WELLER, S .J. 2002. A cladistic study of the Arctiidae (Lepidoptera) by using characters of immatures and adults. Thomas Say publications in entomology. ‒ Entomological Society of America | Lanham, Maryland, 98 pp.

LAFONTAINE, J. D. & FIBIGER, M. 2006: Überarbeitete höhere Klassifikation der Noctuoidea (Lepidoptera). ‒ Canadian Entomologist, 138 (5): 610–635.

LAFONTAINE, J. D. & SCHMIDT, B. C. 2010: Annotated check list of the Noctuoidea (Insecta, Lepidoptera) of North America north of Mexico. ‒ ZooKeys, 40: 1–239

WATSON, A. & GOODGER, D. T. 1986. Catalogue of the Neotropical Tiger-moths. ‒ Occasional Papers on Systematic Entomology 1:1–71.

Korrespondierender Wissenschaftler > Drs. Rob DE VOS, Amsterdam

(Text: Josef DE FREINA 25.11.2017)

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